Interview mit der Trossinger Zeitung vom 29.01.2018

Herr Helm, das Hilfswerk Stephanus hat beim Missionsfest 2017 angekündigt, sich neu auszurichten. Das schließt Hilfsprojekte in Uganda ein. Wie kam es dazu?

Das CDH ist in Trossingen vor zwölf Jahren gegründet worden, um Menschen in armen Ländern zu helfen. Ursprünglich wurden Hilfsgüter vor allem in die Ostländer gebracht. Dort hat sich die Situation allerdings verbessert. Unser Vorstand ist sich einig, dass wir dort helfen wollen, wo Not am Mann ist, also haben wir uns umorientiert. Ich lese viel, und 2017 habe ich UN-Berichte über Millionen Hungertote gelesen, und unter anderem über die Krise im Südsudan und über Flüchtlingssiedlungen. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen und uns alle bewegt.

Warum fiel dann die Entscheidung, sich in Uganda zu engagieren?

Wir wollten eigentlich im Südsudan helfen, aber es ist schwierig, ins Land zu kommen. Und es ist gefährlich. Da über 1,2 Mio. südsudanesischen Bürgerkriegsflüchtlinge nach Uganda geflohen sind und der CDH Stephanus Bundesverband ein großes Hilfsprojekt in Uganda betreibt, womit wir dort bereits eine Basis hatten, haben wir uns für Uganda entschieden.

Dass sich bereits andere Trossinger Vereine und Helferkreise in Uganda engagieren, hatte nichts damit zu tun?

Nein, das war reiner Zufall. Wir engagieren uns auch an anderer Stelle, nämlich in den drei Flüchtlingssiedlungen im Norden Adjumani, Bidi Bidi und Rhino.

Wie ist die dortige Situation?

Bevor wir unsere Hilfsprojekte gestartet haben, ist ein Team von uns vor Ort gewesen, um sich die Lage selbst anzuschauen und erste Kontakte zu knüpfen. Mein erster Gedanke war: „Wie können Menschen so leben?“ Die Siedlungen erstrecken sich kilometerweit, es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom. Armut und Hunger sind gravierend. Viele der Kinder dort leben ohne Eltern – manche wurden auf der Flucht getrennt, andere haben den Tod ihrer Eltern im Bürgerkrieg miterlebt. Viele sind verletzt. Ich habe eine gelähmte Frau kennengelernt, die einen Schubkarren zur Fortbewegung nutzt, andere haben schwere Verbrennungen erlitten. Viele sind erblindet, oft durch Munitionssplitter. Dieses Bild zieht sich durch alle Camps.

Wie möchte das CDH helfen?

Wir haben vor Ort viel zugehört und Pastoren kennengelernt, die Hilfsprojekte für die Flüchtlinge organisieren. Viele von ihnen sind selbst geflüchtet, mit nichts als ihren Kleidern am Leib. Sie möchten helfen, weil sie ein Herz für die Menschen um sie herum haben. Und wir unterstützen sie dabei.

In welchen Projekten engagieren Sie sich konkret?

In Adjumani haben wir einen ugandischen Pastor kennengelernt, der in seiner Gemeinde sechs Räume ans Gemeindehaus angebaut hat, um dort Flüchtlingskinder aufzunehmen. Er hat auch schon einen Brunnen beantragt und genehmigt bekommen. Er ist selbst als Waise aufgewachsen und die Kinder sind ihm ein Herzensanliegen. Der Gemeinde fehlt aber das Geld, um die Räume auszustatten – es mangelt an Betten, Küche, Toiletten, Schränken und Moskitonetzen. Wir haben ausgerechnet, dass für die Aufnahme der ersten 15 Kinder rund 5000 Euro benötigt werden. Die ersten Schritte haben wir schon finanziert und in Angriff genommen. Im März fliegt ein Team von uns nach Adjumani, um beim Einzug der ersten Kinder zu helfen. Bis Ende 2018, sollen dort bis zu 50 Kinder aufgenommen werden.

Und in den anderen beiden Siedlungen?

Im Rhino-Camp, wo 170 000 Flüchtlinge leben, sorgen Pastoren, die selbst aus dem Südsudan geflüchtet sind, für rund Waisenkinder. Sie möchten ein Center errichten, wo die Kinder schlafen und regelmäßig essen können und wo man sich um sie kümmert. Wir können leider nicht allen Flüchtlingen dort helfen, aber das Schicksal der Kinder hat uns wirklich bewegt. Wir finanzieren im Rhino-Camp das Zelt für das Center, die Betreuer und stocken die Essensrationen auf – pro Person werden dort drei, vier Kilo Mais und Bohnen pro Monat ausgeteilt, das ist gar nichts. Ein anderes Problem ist die Schulbildung: 1500 Kinder werden von nur drei Lehrern unterrichtet – die Pastoren sagen, wenn die Generation für längere Zeit in der Flüchtlingssiedlung lebt, wird sie eine ungebildete sein.

Das Bidi Bidi-Camp ist mit über 270.000 Flüchtlingen das weltweit größte Flüchtlingscamp. Als wir durchgefahren sind, dachte ich, es hört nie auf. Die Menschen sind arm, oft krank und hungrig, und traumatisiert. Sie haben keine Hoffnung. Die dortigen Pastoren versuchen, durch Seelsorge zu helfen, aber sie sind selbst Flüchtlinge. Sie hatten nur eine einzige Bibel, die von allen genutzt wurde. Wir haben 100 englischsprachige und 900 Bibeln in Stammessprache gespendet. Die Freude der Menschen dort war unbeschreiblich – für die Pastoren war es ein Wunder, dass jemand aus Deutschland kam und ihnen half, dass sie nicht vergessen sind. Wir möchten sie auch weiterhin in dieser Arbeit unterstützen und finanzieren ein angepasstes Ausbildungsprogramm.

Neben diesen längerfristigen Projekten haben Sie aber auch direkt vor Ort geholfen.

Ja, wir haben zahlreiche Hilfspakete eingekauft und geschnürt, mit allem, was die Menschen dort brauchen. Das reichte von Geschirr über Lebensmittel und Hygieneartikel bis zu Decken – nachts wird es in Norduganda kalt und die Flüchtlinge schlafen ohne Decken und Kissen auf dem Sandboden. Wir sind bis an unser finanzielles Limit gegangen, aber es ist dort nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unser Fokus liegt derzeit auf den Kindern in den drei Camps, denen man mit relativ wenig Geld einen sicheren Ort und Versorgung ermöglichen kann.

Wir danken der Trossinger Zeitung für das gemeinsame Interview.

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